Das schönste Paar – Directors Note

Warum mache ich diesen Film?

Am schönsten Paar interessiert und beeindruckt mich die Geschichte von Liv und Malte, die sich aufgeschlossen den Folgen eines sexuellen Übergriffs stellen. Sie geraten dabei an ihre eigenen Grenzen, die sie als reflektierte und aufgeschlossene Menschen erst einmal nicht wahrhaben wollen, bis sie sich am Ende ihre wahren Ängste eingestehen und diese verhandeln können.

Während der Arbeit am Drehbuch fragte ich mich immer wieder: ‚Wie würde ich mich selbst in dieser Situation verhalten?‘ Das beschäftigte mich sehr. Und ich hatte das Gefühl, auf einen Haufen unangenehmer aber interessanter Fragen zu stoßen: Habe ich Liebe verdient, auch wenn ich meine*n Partner*in nicht beschützen konnte? Sehne ich mich nach Schutz und Geborgenheit, auch wenn ich von mir erwarte ein*e unabhänige*r Kerl/Frau zu sein? Und ist es immer das Richtige, die Wahrheit zu sagen?

Eine Beziehung ist wie ein lebender Organismus. Die Frage ist nicht, wieviel er aushält, sondern wie man ihn am Leben erhält.

Natürlich recherchiere ich und führe Gespräche z.B. mit dem Krisen- und Beratungszentrum LARA in Berlin für sexuell belästigte und missbrauchte Frauen. Und ich will die Verantwortung für eine ehrliche Zeichnung von Opfern und Tätern übernehmen. Aber es soll vor allem ein Film über die Beziehung werden, die auf die Probe gestellt wird. Nicht ausschließlich über das Verbrechen selbst.

Ich meine zu wissen, dass die meisten Menschen nach so einem Überfall wenig Gelegenheit haben, sich mit ihren Gefühlen wie Depressionen oder Wut auseinanderzusetzen. Man ist zum Handeln gezwungen wenn man sein Leben, seine Arbeit und seine Beziehung nicht verlieren will. Liv und Malte geht es nicht anders. Und sie packen es an. Jeder auf seine Art.

Ihnen dabei zuzuschauen berührt und besorgt mich gleichzeitig. Es berührt mich, weil in ihren Handlungen Lebenswille steckt. Und es beunruhigt mich, weil sie dabei gar nicht anders können, als sich Fehltritte zu leisten… Wenn Malte zum Stalker wird, wenn Liv über die Begegnung mit einem anderen Mann an ihre verlorene Unschuld anknüpfen will, oder wenn am Ende beide beinahe zu Mördern werden.

Als Vorbereitung ‚musste‘ ich mir außerdem eine Menge Filme anschauen, die sich ebenfalls mit sexueller Gewalt befassen. Dabei fiel mir auf, dass im klassischen Genre-Kino ein sexueller Übergriff erstaunlich häufig mit dem Tod endet. Es scheint in der Filmwelt kaum Perspektiven für Menschen nach einem derartigen Erlebnis zu geben. Es ist dann der Witwer, der das Ereignis transzendiert indem er zum Rächer wird. Ich will etwas anderes zeigen. Ich will ein Paar zeigen, das sehr lebendig ist. Das eine Beziehung möchte und mit ihren eigenen Gefühlen von Scham und Schuld zu kämpfen hat. Und ich will den Mann konfrontieren: Ist es wirklich das beste zum Rächer zu werden, um die Beziehung aufrecht zu erhalten?

Ich träume von einem Film, der Mut macht – der warnt – und der den Zuschauer mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit herausfordert.

ST