Emma lebt völlig allein als Schweinezüchterin auf dem heruntergekommenen und hoffnungslos verschuldeten Hof ihrer Familie. Sie behandelt ihre Schweine liebevoll bis zum letzten Tag und schlachtet sie auf ihre ganz eigene, zärtliche Art.
Max ist Autoverkäufer, auch allein und hat öfter Magenschmerzen. Beim Arzt erfährt er, dass sein Leben auf der Kippe steht. In einer Kurzschlussreaktion klaut er das Geld seines einzigen Freundes, bucht einen Flug und will nur noch weit weg. Als Max auf der Flucht mit dem Jaguar aus der Kurve fliegt und auf Emmas Hof landet, beginnt er zu erkennen, dass wahres Glück viel näher liegen kann.
Die Verfilmung von Claudia Schreibers gleichnamigen Roman.
mit Jördis Triebel, Jürgen Vogel, Hinnerk Schönemann, Martin Feifel, Karin Neuhäuser, Nina Petri
Regie: Sven Taddicken
Buch: Ruth Toma, Claudia Schreiber nach dem Roman von Claudia Schreiber
Produktion: Wüste Film / Wüste Film-West
Preise:
Nominiert zum Dt. Filmpreis 07: bester Film, beste Hauptdarstellerin, bester Nebendarsteller, bester Ton
Filmfest München 06: Schauspielerpreis für Jördis Triebel
Bayerischer Filmpreis 06 Bester Schauspieler (Jürgen Vogel)
Hamptons Int. Film Festival 06: Audience Award + Best Screenplay
Festival de Cine Sevilla 06: Audience Award
Festival des Deutschen Films in Paris 06: Publikumspreis
Festival International du Film D´Auteur de Rabat 07: Grand Prix Hassan II
9th Taipei Filmfestival 07: Hauptpreis New Talent Competition
Festival du Film d´Amour Mons: Grand Prix du Festival, Prix Cinefemme, Beste Hauptdarstellerin (Jördis Triebel)
Gilde Filmpreis der Filmkunsttheater 2007: bester deutscher Film
„Wurde ja auch Zeit, dass mal jemand das Genre der Landlebenkomödie ausmistet: Sven Taddickens Film „Emmas Glück“ ist humorvoll, lebensklug und scharfsinnig. Da haben nicht nur die Bauern Schwein – sondern auch die Zuschauer.“
Peter Luley, Spiegel online 08/06
Diagnose: Krebs im Endstadium. Die Nachricht wirft den Mittdreißiger Max (Jürgen Vogel) völlig aus der Bahn. Seine letzte Reise soll in Mexiko enden, tatsächlich landet er nach einem Autounfall auf einem Bauernhof im Bergischen Land.
Es gibt eine Szene in Sven Taddickens Liebesgeschichte Emmas Glück, die einen bis ins Mark erschüttert. Eine solche Erkenntnis relativ nüchtern im Nachhinein zu formulieren, verwundert schon, arbeitet der Film bereits mit den ersten Aufnahmen ganz eindeutig auf diesen einen Moment hin. Unausweichlich scheint sich die Handlung wie im Autopilotmodus auf diesen dramaturgischen wie emotionalen Fixpunkt zuzubewegen. Wenn Max in den Armen seiner geliebten Emma (Jördis Triebel) verstirbt, kurz nachdem sie ihn von seinen unerträglichen Schmerzen erlöst hat, muss man als Zuschauer schwer schlucken, so sehr hat man zuvor am Schicksal dieser beiden Anteil genommen.
Als dem Autoverkäufer Max die Nachricht ereilt, er habe Krebs im Endstadium und somit nicht mehr lange zu leben, sieht er den Tod wie einen Geisterfahrer auf sich zurasen. Die Zeit, die ihm noch bleibt, erhält von einer Sekunde auf die andere ein ganz anderes, viel höheres Gewicht. In einer Kurzschlussreaktion klaut Max das Geld seines einzigen Freundes, schnappt sich dessen Auto und rast davon. In einer Kurve kommt er von der Fahrbahn ab und landet nach mehreren Überschlägen auf Emmas Hof. Die junge Frau betreibt auf dem baufälligen Anwesen eine kleine Schweinezucht. Sie nimmt den bewusstlosen Max bei sich auf, verbindet seine Wunden und pflegt ihn wieder gesund. Jedenfalls denkt sie, dass Max nur unter einigen äußerlichen Blessuren zu leiden hat.
Regisseur Taddicken entschied sich, seiner eskapistischen Tragikomödie, welche von Emmas und Max’ Ausreißertum auf eine erdachte einsame Insel handelt, eine klare, einfache Struktur zu geben. Die ruhige Kamera wechselt vornehmlich zwischen Totalen der ländlichen Idylle und sehr fokussierten Nahaufnahmen. Immer wieder fällt so der Blick des Objektivs auf Emmas Hände, welche zunächst dreckig und rau, später dann viel weicher und sanfter erscheinen, und so stellvertretend die durch Max plötzliches Erscheinen ausgelöste Wandlung und zunehmende Offenheit ihrer Person beschreiben. Die sparsam und effektiv eingesetzte Filmmusik unterstützt ebenso wie die natürliche, warme Lichtsetzung die zurückgenommene Inszenierungsweise. Damit führt Taddicken auf stilistischer Ebene nur das fort, was den Kern dieser intimen Geschichte ausmacht. Es galt, einen geradlinigen Plot möglichst unverfälscht und ohne Schnörkel zu erzählen.
Aber auch in der Umsetzung kleiner Geschichten liegen viele Fallstricke verborgen. Einer betrifft die intellektuelle Überfrachtung des Plots. Indem Taddicken beispielsweise auf einen expliziten Diskurs der heiklen Sterbehilfethematik verzichtet und Emmas eingangs beschriebene Handlung als konsequenten Liebesbeweis an Max schildert, bezieht er inhaltlich eindeutig Stellung, ohne sich in einer sorgsam ausgewogenen und womöglich langweiligen Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten ergehen zu müssen.
Emmas Glück stellt auf erfrischende Art und Weise die immer noch vorherrschenden Rollenbilder auf den Kopf. Während Emma selbstbestimmt ihre Sexualität ausleben will, ist es Max, der durch seine Krankheit geschwächt, Schutz und Halt sucht und beides dank Emma schließlich auch findet. Jördis Triebel gibt ein überzeugendes Kinodebüt. Burschikos und zupackend wie Fances McDormand als schwangere Polizistin Marge Gunderson in Fargo (1995) lässt sie Emma mit Leichtigkeit zu einer verschrobenen Sympathieträgerin avancieren. Vogel ist ohnehin bereits eine Institution in der deutschen Filmlandschaft. Dass er sich für seine Rollen in regelmäßigen Abständen im wahrsten Sinne des Wortes die Seele aus dem Leib kotzen muss, schreckt ihn nicht ab. Das zeigt exemplarisch auch seine ähnlich gelagerte Darstellung eines Leukämiekranken im Fernsehfilm Scherbentanz (2001).
Wenn der Tod über ein junges Leben so unerwartet hereinbricht, bahnt er sich im Kino meist einen von zwei extremen Wegen. François Ozon inszenierte Die Zeit die bleibt (Le temps qui reste, 2005) mit einem nüchternen, fast schon distanzierten Blick. Vor allem weigerte er sich, seinen todkranken Protagonisten zu heroisieren. Dass dieser ein hoffnungsloser Egoist und Hedonist war, machte eine Identifikation schwierig. Mein Leben für dich (My Life, 1993) von Bruce Joel Rubin setzte auf die tränenreiche und dabei allzu sentimentale Dekonstruktion eines Lebens in einzelne Videobotschaften, die als das Vermächtnis eines Vaters an sein noch ungeborenes Kind eingesetzt wurden. Sven Taddicken versucht dagegen, die Balance zwischen einer Beobachterrolle wie bei Ozon und einem Gefühl der Empathie zu wahren. Das Ergebnis beeindruckt. Emmas Glück ist ein nachdenklicher, aber zu keiner Zeit weinerlicher Film über das Sterben geworden. Erhaben und rücksichtsvoll lässt er uns als Zuschauer daran teilhaben.
Markus Wessel, critic.de
„Taddicken bezieht zum Thema Sterbehilfe eindeutig Stellung, wenngleich er auf einen ethischen Diskurs verzichtet. In starker Bildsprache, mit surrealistischer Farbgebung, skurrilen Einfällen, einem unverfälscht-altmodischen Blick aufs Landleben und stupender Leichtigkeit erzählt er sein tragikomisches Märchen über Leben und Tod. Es lässt sich leiten vom Kieslowskischen Universum von Verzweiflung, Hoffnung und Erlösung durch die Liebe und bringt mit Jördies Triebel und Jürgen Vogel ein ideales Leinwandpaar zusammen.“
Neue Züricher Zeitung